Oberster Gerichtshof stellt klar, dass Sportwetten kein Glücksspiel sind!

 

Der Oberste Gerichtshof (OGH) behandelte in der Entscheidung 8 Ob 113/23p erstmals die rechtliche Qualifikation von Over-/Under-Wetten.

Der Kläger platzierte Over/Under-Wetten. Das bedeutet, dass auf die Gesamtzahl der Punkte/Tore des gesamten Wettereignisses gewettet wird (Endergebnis). Dabei werden die Punkte/Tore aller Mannschaften im gesamten Spiel summiert. Für den Wetterfolg ausschlaggebend ist, ob bis zum Spielende insgesamt mehr oder weniger als die vorgegebenen Punkte/Tore erzielt werden; egal von welcher Mannschaft. Also zB (over) mehr als 3,5 Tore. Die dem Verfahren zugrunde liegenden Wetten wurden in Form von Live-Wetten abgeschlossen, dh die Wettabgabe erfolgte während des bereits laufenden Sportereignisses. Wettunternehmerin war ein österreichisches Unternehmen mit gültiger Tiroler Wettbewilligung.

Der Kläger argumentierte, dass diese Over-/Under-Wetten überwiegend zufallsabhängig und damit als Glücksspiele iSd Glücksspielgesetzes zu qualifizieren seien und forderte seine verlorenen Wetteinsätze zurück. Bereits die Vorinstanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass Sportwetten keine Glücksspiele sind. Wenngleich ihnen zwar auch ein Zufallsmoment innewohne, lasse sich der Ausgang des Sportereignisses auf Basis von Kenntnissen über Teilnehmer, Trainingsverfassung, Wetterlage, etc. berechnen. Die Zufallsabhängigkeit trete in den Hintergrund. Sportwetten seien zudem kompetenzrechtlich nicht vom bundesrechtlichen Glücksspielmonopol umfasst.

Höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Over-/Under-Wetten fehlte bisher. Der OGH ließ die außerordentliche Revision des Klägers zu, wies sein Klagebegehren aber ab. Der OGH nahm die Entscheidung zum Anlass, über die konkrete Rechtsfrage hinaus eine grundsätzliche und weitreichende Abgrenzung zwischen Sportwetten und Glücksspiel vorzunehmen:

  1. Die in den Landesgesetzen geregelten Wetten unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol.
  1. Die Art der Wette ist irrelevant. Wette bleibt Wette. Obwohl das Ergebnis eines Fußballspiels nicht gänzlich vorhersehbar ist und auch vom Zufall abhängen kann, macht es keinen Unterschied, ob auf den Sieg einer Mannschaft oder im Rahmen von Over-/Under-Wetten auf die Anzahl der Tore gewettet wird, weil es sich jeweils um Wetten auf das nicht gänzlich vorhersehbare Endergebnis eines Spiels handelt.
  1. Der rechtswidrige Eingriff in das Glücksspielmonopol, dh das konzessionslose Anbieten von Glücksspielen, ist verboten. Die Glücksverträge sind nichtig und können Schadenersatzansprüche von Spielern, die dabei Verluste erlitten haben, begründen.

Demgegenüber sind Sportwetten weder vom Gesetzgeber verboten, noch unterliegen sie dem Glücksspielmonopol des Bundes.

  1. Sogar bewilligungslos angebotene Wetten sind gültig. Die Rechtslage entspricht der zum Gewerberecht ergangenen Judikatur. Der Zweck von (Wett-)Bewilligungen besteht nämlich darin, die Ausübung des Berufes durch ungeeignete Personen zu verhindern, aber nicht die von unbefugten Personen geschlossenen Verträge, die von anderen Personen in gleicher Weise hätten geschlossen werden können, rückgängig zu machen. Der das Werk lege artis herstellende Installateur hat genauso Anspruch auf Werklohn – auch, wenn er ohne aufrechte Gewerbeberechtigung tätig wird.

Mit seiner jüngsten Entscheidung erteilte der OGH Wettklagen und somit auch der Ausweitung der sich in den vergangenen Jahren im Glücksspielbereich etablierten (Klags-)Industrie eine klare Absage.