Der Österreichische Sportwettenverband hat zum vorliegenden Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Gesetz über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten (Wiener Wettengesetz) geändert wird, im Sinne seiner Mitglieder und der Wettbranche an die zuständige Wiener Behörde – MA36 – folgende Stellungnahme offiziell und fristgerecht am 07.03.2018 abgegeben.
STELLUNGNAHME:
1.) Grundsätzliches
Im vorliegenden Entwurf ist genau jene Tendenz des Gesetzgebers erkennbar, die schon dem Wiener Wettengesetz (in all seinen Fassungen) anhaftet. Es werden insbesondere Bestimmungen aufgenommen bzw. verschärft, welche die Erlangung einer Konzession als Wettunternehmer erheblich erschweren bzw. in der Praxis geradezu unmöglich machen. Damit wird freilich den vom Gesetzgeber vorgegebenen Zielen der gesetzlichen Regelung, nämlich Jugendschutz, Kundenschutz, Suchtbekämpfung, Verbrechensvorbeugung etc. kein guter Dienst erwiesen. Vielmehr ist anzunehmen, dass das Wettgeschäft in die Illegalität, in das Internet oder in das Ausland abgedrängt wird und dort letztlich unkontrolliert bleibt und gleichzeitig den Gebietskörperschaften erhebliche Einnahmen entgehen.
Der nunmehrige Gesetzesentwurf nähert sich in bedenklicher Weise einem gänzlichen Verbot wettunternehmerischer Tätigkeit an und wird in mehreren Punkten weder einer verfassungsrechtlichen noch einer unionsrechtlichen Überprüfung standhalten.
Mit der vorliegenden Stellungnahme soll allerdings zunächst auf Aspekte aus dem Blickwinkel des österreichischen Verfassungsrechts verzichtet werden; es soll vielmehr aufgezeigt werden, dass die in Aussicht genommenen Regelungen – ungeachtet ihrer fraglichen verfassungsrechtlichen Haltbarkeit – weit überschießend und nicht sachgerecht sind; darüber hinaus können mit ihnen die gesetzgeberischen Ziele schlichtweg nicht erreicht werden.
2.) Zu den einzelnen Bestimmungen:
- a) Die Definition des Vermittlers ist zu weit gehalten, wenn etwa als Vermittler auch jemand erachtet wird, der Einrichtungen zur Erleichterung oder Ermöglichung des Vertragsabschlusses zur Verfügung stellt (z.B. Übertragung von Sportereignissen).
Nach diesem Text wird in Hinkunft allein die Feststellung, ob jemand als Vermittler tätig war oder nicht, im Einzelfall Schwierigkeiten machen (§ 2 Z 3) und der vollziehenden Behörde nicht absehbares, intransparentes Ermessen einräumen.
- b) Voraussetzung für die Erteilung der Bewilligung für die Tätigkeit als Wettunternehmer ist nunmehr unter anderem, dass gleichzeitig mit der Bewilligung die Feststellung der Eignung der Betriebsstätte oder Betriebsstätten, in der oder in denen die Tätigkeit ausgeübt werden soll, bewirkt wird (§ 4 Abs. 1 lit. f).
Auch in diesem Zusammenhang räumt § 5 Abs. 1 lit. b der Behörde einen nahezu grenzenlosen Ermessensspielraum ein, weil dort festgehalten wird, dass eine Betriebsstätte in Hinblick auf ihre Lage, Größe, Beschaffenheit und Einrichtung so gestaltet sein muss, dass „bei Einhaltung der jeweils in Geltung stehenden gesetzlichen Bestimmungen“ betreffend Veranstaltungsstätten unter vorgeschriebenen Auflagen und Bedingungen in Ansehung der darin ausgeübten Tätigkeit keine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder die Umwelt (insbesondere Boden, Wasser, Luft und Klima), und keine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung der Umgebung besteht sowie weitere Bestimmungen – nämlich § 19 – eingehalten werden.
Es ist zu befürchten, dass Konzessionswerber nicht nur – wie in der Vergangenheit schon praktiziert – mit allerlei baurechtlichen Bestimmungen seitens der Behörde konfrontiert werden, sondern dass mitunter verwaltungsrechtliche Bestimmungen, die der gesamten Rechtsordnung zu entnehmen sind (siehe „insbesondere Boden, Wasser, Luft und Klima“), von der Behörde herangezogen werden, um eine Konzession nicht oder entsprechend verspätet zu erteilen.
Bei Änderung der Betriebsstätte sieht § 5 Abs. 3 vor, dass dann, wenn die genannten Interessen berührt werden, der Bewilligungsinhaber neuerlich um Feststellung der Eignung der Betriebsstätte ansuchen muss.
Was konkret eine Änderung ist bzw. wie intensiv eine Änderung allenfalls sein muss und wann die genannten Interessen tatsächlich berührt werden, wird bzw. soll die Behörde entscheiden, ohne dass irgendwelche Richtlinien im Gesetz näher determiniert sind.
- c) In § 6 Abs. 4 soll festgehalten werden, dass bei erstmaliger Erteilung der Bewilligung die Dauer dieser Bewilligung drei Jahre nicht überschreiten darf. Dazu ist auszuführen, dass die mit der Eröffnung eines Wettlokals verbundenen Investitionen in drei Jahren nicht verdient werden können. Die Unsicherheit, dass allenfalls nach Ablauf von drei Jahren eine neue Konzession nicht oder nur verzögert erteilt wird, wird zwangsläufig viele Unternehmer davor zurückschrecken lassen, eine (erstmalige) Konzession zu beantragen. Diese Bestimmung ist umso unverständlicher und muss als völlig unbegründete Schikane gewertet werden, wenn man bedenkt, dass die Behörde ja grundsätzlich hinreichend Möglichkeiten an der Hand hat, eine Bewilligung – auch während der Zeit, für die sie erteilt wurde – zu entziehen (siehe § 8).
- d) Es soll vorgesehen werden, dass im Falle, dass eine Bewilligung als Vermittler beantragt wird, Namen und Anschrift der Person, an die Wettkunden vermittelt werden sollen, angegeben werden; weiters soll ein Nachweis über die Bewilligung dieser Person zur Ausübung der Tätigkeit als Wettunternehmer in der Betriebsstätte nach diesem Gesetz erbracht werden.
Diese Regelung stellt grundsätzlich die Vermittlungstätigkeit in Frage. Wenn in derselben Betriebsstätte ohnedies eine Bewilligung des Buchmachers (Totalisateurs) gefordert wird, würde sich die Notwendigkeit einer doppelten Antragstellung ergeben. Schwer nachvollziehbar ist es, dass offensichtlich die Vermittlertätigkeit wieder eingeschränkt bzw. ausgeschaltet werden soll, nachdem sie grundsätzlich erst seit kurzer Zeit im Gesetz geregelt ist.
Hervorzuheben ist, dass durch das doppelte Bewilligungserfordernis kein höheres Schutzniveau als mit der bestehenden Regelung erreicht werden kann, sondern einzig der finanzielle und administrative Aufwand verdoppelt werden würde, weil pro Standort zwei eigenständige Bewilligungsverfahren durchlaufen werden müssten. Für die Vermittlertätigkeit bliebe sohin kein rechtlicher und wirtschaftlich vertretbarer Anwendungsbereich. Überdies ginge mit dem doppelten Bewilligungserfordernis mangels klarer Abgrenzung der Verantwortlichkeiten eine erhebliche Schwächung der Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen einher. All dies wäre im Ergebnis ein Rückschritt des Spielerschutzes.
- e) Erhebliche Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung des § 19 Abs. 2, wonach der Wettunternehmer in geeigneter Weise dafür sorgen muss, dass der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal und die Teilnahme an einer Wette nur volljährigen Personen ermöglicht wird, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises nachgewiesen haben und nicht gesperrt sind.
Die Bestimmung ist wesentlich strenger als ihre Vorbild-Bestimmung, § 9 Abs.1 Wr. Jugendschutzgesetz, die auf den Aufenthalt abstellt. Überdies ist die Regelung in der Praxis defacto undurchführbar, weil der Kontrollvorgang außerhalb der Räume, sohin letztlich davor – auf der Straße stattfinden müsste. Dies unter erheblichem personellen und technischen Aufwand. Die Schaffung einer innerhalb der Geschäftsräume befindlichen Kontrollzone ist vielfach schon aus baulich-technischer Sicht unmöglich; darüber hinaus wurde der Begriff „Räume“ iSd § 19 Abs. 2 der geltenden Gesetzesfassung von der Behörde bisher als das gesamte Geschäftslokal ausgelegt, sodass schon aus diesem Grund die Variante einer Kontrollmöglichkeit innerhalb einer beim Eingang befindlichen, abgeschlossenen Kontrollzone im Inneren des Geschäftslokals ohne klarstellende Gesetzesformulierung ausscheidet. Die vom Gesetzgeber wiederholt ins Treffen geführte Zielsetzung der „Bereinigung des Straßenbildes“ würde durch den vorliegenden Entwurf unterlaufen werden.
Sinnvoller und legistisch richtig wäre – sofern überhaupt erforderlich – dem Wettunternehmer im Einklang mit dem Wr. Jugendschutzgesetz die Verpflichtung aufzuerlegen, dafür zu sorgen, dass der „Aufenthalt“ in Räumen mit einem Wettterminal und (kumulativ) die Teilnahme an einer Wette nur volljährigen, nicht gesperrten Personen ermöglicht wird, keinesfalls aber der „Zutritt“.
- f) Der in Aussicht genommene Gesetzestext arbeitet in vielen Bereichen mit relativ unklaren Bestimmungen, die letztlich Zweifel offenlassen und auf die unvorhersehbare als auch nachträglich kaum objektiv nachvollziehbare Beurteilung durch die Behörde hinauslaufen.
Was ist etwa unter „zeitnah“ im Sinne des § 21 Abs. 1 zu verstehen?
Was versteht der Gesetzgeber unter „besonderer Aufmerksamkeit“ im Sinne des § 21 Abs. 5 Z. 3.?
Wie hat man sich eine „verstärkte fortlaufende Überwachung“ im Sinne des § 21 Abs. 8 Z. 4 vorzustellen?
3.) Schlussbemerkung
Grundsätzlich bleiben alle Bedenken aufrecht, die der Österreichische Sportwettenverband schon in der seinerzeitigen Stellungnahme zum Wiener Wettengesetz geäußert hat. Das Wiener Wettengesetz und umso mehr der nunmehr vorliegende Entwurf sehen an den tatsächlichen Problemen der Branche vorbei.
Es sollte nicht Ziel sein, jene Wettunternehmer, die ohnedies gesetzeskonform arbeiten und sich darüber hinaus sogar freiwillig diversen Beschränkungen unterwerfen, die nicht im Gesetz erwähnt sind, zu behindern bzw. zu verhindern. Sinnvoll und für die Schutzbedürftigen notwendig wäre vielmehr, illegale Mitbewerber, die ohne Konzession und ohne entsprechende Abgaben abzuführen, am Markt tätig sind, auszuschalten und ein einheitliches, hohes Schutzniveau sicherzustellen.
Die Wiener Wettunternehmer sind mit ihrer Steuerleistung und mit den von ihnen geschaffenen Arbeitsplätzen ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Darüber hinaus bringen sie erhebliche Mittel im Rahmen des Sport-Sponsorings auf.
Der vorliegende Entwurf wird – wenn er Gesetzeskraft erlangt – auch ein Sport-Sponsoring im bisherigen Umfang nicht mehr möglich machen.
Notwendig wäre es, in einem Experten-Hearing Besonderheiten und Probleme der Branche zu erörtern und in weiterer Folge das Sportwettgeschäft einer sachgerechten gesetzlichen Regelung zuzuführen. Absolut nicht notwendig und auch keinesfalls zweckmäßig ist es, die Branche von oben herab mit nicht sachgerechten, aufoktroyierten Lösungen an den Rand der Existenzvernichtung zu zwingen.