Am 8. März feiert der Österreichische Sportwettenverband (OSWV) sein 30-jähriges Jubiläum. Im großen Exklusiv-Interview sprechen OSWV-Präsident Jürgen Irsigler und Geschäftsführer Sharif Shoukry über die bisherige Entwicklung, aktuelle Herausforderungen und blicken auf die Zukunft einer Branche, die vom, mit und für den Sport lebt.
sportsbusiness.at exklusiv von Michael Fiala
sportsbusiness.at: Der Österreichische Sportwettenverband feiert sein 30-jähriges Jubiläum. Blicken wir kurz auf die Geschichte zurück. Warum gibt es den Sportwettenverband, warum wurde er damals gegründet und wie hat sich das Ganze entwickelt?
Jürgen Irsigler: Die Sportwettenbranche, so wie wir sie heute kennen, die gibt es seit Anfang der 1980er Jahre, also rund 40 Jahre. Und es hat sich in den ersten zehn Jahren gezeigt, dass es immer wieder Themen gibt, die die Branche sehr beschäftigen. Rechtliche Themen in erster Linie, wo sich relativ bald auch herauskristallisiert hat, dass es gut wäre, wenn es einen speziellen Interessensverband gäbe. Wir sind zwar so wie alle anderen Unternehmen in der Wirtschaftskammer verankert, dort im Bereich der Freizeitbetriebe eingeordnet, aber die ganz spezifischen Themen sind auch für die Wirtschaftskammer schwer abzubilden. Aus diesem Grund heraus haben sich dann die Wettunternehmer zusammengeschlossen und 1994 entschieden diesen Sportwettenverband, damals noch Buchmacherverband, zu gründen als Interessensvertretung.
Was hat sich seitdem getan?
Irsigler: Sehr viel. In der damaligen Zeit war das Internet noch unbekannt. In unserer Branche ist das Internet Ende der 90er Jahre erstmals angekommen. Der erste Wettanbieter in Österreich, der Online-Wetten angeboten hat, war 1997 die Firma Interwetten und dann haben auch sukzessive die anderen Wettunternehmen begonnen, sich zu digitalisieren. Zu der damaligen Zeit hat sich das Thema Livewette begonnen zu entwickeln. Warum betone ich das? Weil wenn man sich die heutige Welt ansieht, dann sind in Österreich rund 70 Prozent des Wettvolumens im Online-Bereich, gleiches gilt auch für die Livewette. Also 70 Prozent der Wetten sind Livewetten.
In den vergangenen Jahren ist dann auch das Thema Streaming immer wichtiger geworden, oder?
Irsigler: Ja, da gibt es ein Riesenportfolio. Alleine die Firma Sportradar, die hier federführend ist, bietet heute im Jahr rund 400.000 Events als Streaming-Angebot an. Das ist schon sehr umfangreich und man merkt auch, dass die Konsumenten immer mehr diese Streaming-Angebote, wenn sie von Wettunternehmen angeboten werden, nützen.
2019 kam dann die Umbenennung vom Buchmacherverband zum Sportwettenverband. Was waren die Hintergründe, diese Umbenennung durchzuziehen? Buchmacherverband war wohl schon etwas verstaubt, oder?
Sharif Shoukry: Ja, stimmt. Als ich das Projekt 2016 übernommen habe, war klar, dass der Begriff Buchmacher in Österreich nicht so angesehen ist oder so bekannt ist, wie zum Beispiel im angelsächsischen Raum. Und oft bin ich aufgrund des Namens gefragt worden, was ich im Verlagswesen mache. Zudem entsprach der Begriff Buchmacher nicht mehr dem vollem Umfang, wer in der Branche tätig ist: Es gibt auch Wettvermittler, es gibt Totalisateure, und die alle wollten wir unter einem für alle Menschen klaren Begriff neu definieren.
Kommen wir in die Gegenwart, ins Jahr 2024, dem Jubiläumsjahr. Wie ist der Verband aktuell aufgestellt, was ist da alles vereinigt, wer sind die Mitglieder?
Shoukry: Wir haben derzeit 15 Vollmitglieder und 10 Fördermitglieder. Fördermitglieder sind zum einen Teil Branchenzulieferer, jemand, der die Branche beispielsweise mit Software, Bezahlmethoden, etc. unterstützt. Oder eben auch Franchise-Partner von größeren Firmen, die in der Interessenvertretung eine Mitgliedschaft haben.
Und wie ist der Verband aufgestellt?
Shoukry: Im Prinzip gibt es Statuten wie in jeder Institution, und alle drei Jahre Wahlen des Vorstandes. Diese waren vergangenen Oktober und dabei wurde Jürgen Irsigler als Präsident wiedergewählt. Es gibt zwei Vizepräsidenten mit Georg Weber von tipp3 und Markus Prinz von Tipico sowie fünf weitere Vorstände. Dabei ist es uns wichtig, dass wir mit diesen Personen die gesamte stationäre Sportwettenbranche abbilden – und damit meinen wir nicht nur die großen Player, sondern auch regionale KMUs.
Weil gerade KMUs angesprochen wurden. Wie sieht der Wettanbietermarkt in Österreich aktuell aus?
Shoukry: Aktuell haben wir in Österreich rund 35 Unternehmen, die in Österreich in einem oder mehreren Bundesländern eine Lizenz haben. Man muss hier auch differenzieren, dass es natürlich auch Franchise-Partner gibt. Von den Marken, die stationär in Österreich tätig sind, reden wir wahrscheinlich von nur noch von 12 Marken. Nicht zu verwechseln ist diese Zahl mit dem deutlich größeren Online-Angebot, die aber zum Großteil in Österreich nicht lizenziert sind.
Welche Vorrausetzung muss ein Wettanbieter eigentlich erfüllen, um beim OSWV Mitglied zu werden?
Irsigler: Bei uns haben alle Mitglieder eine Wettlizenz in Österreich. Das ist uns wichtig. Das vertreten wir natürlich im Verband auch inhaltlich. Zudem sind wir, wie der Name schon sagt, ein Sportwettenverband. Das heißt, wir befassen uns nicht mit dem Thema Glücksspiel. Wir haben immer auf die Differenzierung zwischen Sportwette und Glücksspiel größten Wert gelegt, weil wir das als unterschiedliche Produkte sehen. Zudem sind unsere Mitglieder keine reinen Online-Anbieter. Also entweder sind sie Hybrid tätig, d.h. sowohl stationär als auch digital, oder sie sind reine stationäre Anbieter, wobei die immer weniger werden und mehr oder weniger auch aussterben. Interessant ist jedenfalls auch die Entwicklung, dass es rund um 2010 noch 80 Wettunternehmen in Österreich gab und wir jetzt bei insgesamt rund 40 angelangt sind. Dieser Konsolidierungsprozess wird sich auch weiter fortsetzen. Wir rechnen damit, dass in den nächsten fünf bis acht Jahren die Anzahl der Wettunternehmen auf 20 sinken wird.
Jetzt gibt es in Österreich auch den OVWG. Wo liegen hier eigentlich die Gemeinsamkeiten, wo geht man in eine andere Richtung?
Irsigler: Grundsätzlich gibt es Gemeinsamkeiten, wenn es um das Thema Sportwette geht. Da verfolgt man auch gemeinsame Interessen, da gibt es gemeinsame Themen und es gibt auch einen Austausch. Spielerschutzprojekte, Bekämpfung von Geldwäsche, etc. sind beispielsweise gemeinsame Projekte. Das trennende Element ist das Thema Glücksspiel und hier konkret das Thema Online-Glücksspiel. Der OVWG hat als Zielsetzung, in erster Linie das Online-Glücksspiel zu liberalisieren, um neue rechtliche Rahmenbedingungen in Österreich einzuführen. Das ist nicht Thema des Sportwettenverbandes.
Kommen wir zu den aktuellen Herausforderungen der Branche. Die Sportwetten sind speziell in den vergangenen Jahren ein Spielball in der Politik gewesen. Man hörte immer wieder, es soll eine Änderung geben, auch möglicherweise in Kombination mit dem Glücksspiel oder auch nicht. Wie kann man die aktuelle Stimmung der Politik zum Thema Sportwetten beschreiben?
Irsigler: Generell haben wir die zentrale Diskussion, ob die Sportwette Glücksspiel ist oder nicht. Dazu hat es erst vor kurzem im Dezember 2023 eine höchstgerichtliche Entscheidung des OGH gegeben, wo wieder, also nicht zum ersten Mal, sondern wenn man so will, bestätigt worden ist, dass die Sportwette kein Glücksspiel ist. Bei einer Wette kann nicht vorwiegend von Zufallselementen gesprochen werden, sondern es stehen Geschicklichkeits- bzw. Wissenselemente hier im Vordergrund. Es ist auch festgehalten worden, dass für das Thema Wette, was Gesetzgebung und Vollziehung betrifft, die Länder zuständig sind und das Thema nicht unter das Glücksspielmonopol fällt.
Damit herrscht für die Branche Rechtssicherheit?
Irsigler: Damit ist im Grunde etwas bestätigt worden, wo es schon Judikate in den 1990er Jahren dazu gegeben hat und wo wir sagen: Das ist in der Sache auch absolut richtig, weil eine Sportwette ist ein anderes Produkt als ein Glücksspiel.
Können Sie das anhand eines Beispiels erklären?
Irsigler: Wenn zwei Tennisspielerinnen gegeneinander antreten, ihren Wettkampf ausführen, dann wird man nicht davon sprechen können, wenn es um den Ausgang des Wettkampfes geht, dass dieser Ausgang ein Glücksspiel wäre. Also wenn man das zwei Tennisspielerinnen sagt, dass der Ausgang des Wettkampfes ein Glücksspiel ist, dann würde man Verständnislosigkeit hervorrufen. Das muss man vom Produkt her unterscheiden und das wird in Österreich viel zu wenig gemacht.
Die Kritik, die oftmals kommt ist, dass die Sportwette ähnliche Probleme verursacht wie das Glücksspiel ..
Irsigler: Das ist natürlich berechtigt. Gewisse Bereiche wie Wettkundenschutz oder Spielerschutz sollten im Glücksspiel und bei der Wette ähnlich oder gleich geregelt sein, das ist alles legitim. Aber die Diskussion zu führen, die Wette ist Glücksspiel, die halte ich schlicht und einfach für falsch.
Wenn wir die aktuelle Regierung und die Legislaturperiode hernehmen, die noch wenige Monate andauern wird. Welche Strömungen waren hier bzgl. Ihrer Branche wahrzunehmen und wird von dieser Regierung hinsichtlich Sportwette an relevanten Entscheidungen etwas zu erwarten sein?
Irsigler: Man muss einmal grundsätzlich sagen, dass der Bund nicht zuständig ist für das Thema.
Aber er könnte es für sich zuständig machen?
Irsigler: Ja, aber da bedarf es einer Verfassungsänderung. Das ist eine politische Entscheidung, das ist ein politischer Prozess. Natürlich kann man die Bundesverfassung ändern, aber dazu muss es den entsprechenden politischen Willen geben. Das heißt, aktuell sind die Länder zuständig, wir haben damit neun Landeswettengesetze.
Neun Landeswettengesetze bedeuten aber auch, neun verschiedene Gesetze, die zu befolgen sind …
Irsigler: Ja, was jedoch in den vergangenen Jahren gelungen ist, dass es zu einer Harmonisierung im Bereich der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gekommen ist. Da hat es ein Projekt unter Federführung der Geldwäschemeldestelle gegeben, an dem sich auch alle Länder beteiligt haben. Unter der Projektleiterin Frau Dr. Scherschneva, die auch jahrelang Leiterin der Geldwäschemeldestelle war, ist hier etwas entstanden, was ich vorbildhaft finde, dass man hier bei diesem Thema jetzt ein gemeinsames Dokument geschaffen hat, das als Richtlinie für die Wett- und Glücksspielbranche gilt.
Könnte das ein Vorbild für weitere Themen sein?
Shoukry: Im Moment ist man gerade dabei, auch so etwas zum Thema Spieler- und Wettkundenschutz aufzusetzen. Wir als Branche haben natürlich auch Interesse, dass gewisse Themen so einheitlich wie nur möglich geregelt werden. Es gibt Wettbüros, die nur wenige Kilometer auseinander sind aber in zwei Bundesländern liegen, und zum Teil komplett verschiedene Regelungen beachten müssen. Besonders gravierend ist es natürlich am Beispiel Wien und Niederösterreich. In Wien ist das Wettprodukt mittlerweile sehr, sehr eingeschränkt. Auf der anderen Straßenseite ist Vösendorf in Niederösterreich. Dort ist ein ganz anderes Gesetz derzeit aktiv und erlaubt viel mehr.
Was wären denn die zwei, drei wichtigsten Forderungen, wenn wir über Harmonisierung der Gesetze sprechen?
Irsigler: Wenn ein Wettunternehmer in Österreich Sportwetten anbietet, sollte er über eine österreichische Lizenz verfügen. Das ist zwar im stationären Bereich heute so geregelt, und da brauche ich zwingend eine Wettlizenz. Aber im Online-Bereich ist das nicht so. Das heißt, ich kann im Online-Bereich aktuell ohne Wettlizenz anbieten. Das ist schlecht, vor allem aus Sicht des Konsumentenschutzes.
Da sprechen wir über die „berühmte“ Lizenz aus Malta …
Shoukry: Ja, aber das geht noch viel weiter. Lizenzen, die in der Karibik oder Südostasien liegen. Das gehört geregelt, es geht wie schon erwähnt um Konsumentenschutz, aber auch um Steuerleistungen und Arbeitsplätze in Österreich.
Irsigler: Und das ist auch eine Belastung für die Branche, speziell was das Image betrifft. Das ist etwas, was der Gesetzgeber herbeiführen muss. Hier haben wir ein großes Interesse und das kommunizieren wir auch entsprechend. Ein weiterer Punkt ist der Bereich des Wettkunden- und Spielerschutzes. Hier braucht es einheitliche Standards. Ein weiterer Punkt ist die Vereinheitlichung, welche Produkte angeboten werden dürfen. Derzeit ist es auch hier sehr unterschiedlich geregelt und für den Konsumenten schwer nachvollzieh- und einordenbar. Einen letzten Punkt, den ich hier erwähnen möchte, ist die Möglichkeit der anonymen Wettabgabe. Diese ist zwar nur noch sehr eingeschränkt möglich, sollte aber aus unserer Sicht gar nicht mehr möglich sein. Dies würde auch die Themen Geldwäsche und Wettsucht betreffen. Wettsucht kann man nicht verleugnen und diesem Thema hat man sich als Gesellschaft insgesamt zu stellen.
Wie sieht die Regelung bezüglich der Lizenzen aktuell in Österreich aus?
Shoukry: Den Online-Bereich haben vier Bundesländer überhaupt nicht geregelt. Die anderen Bundesländer haben eine Regelung, die besagt, dass sie nur dann zuständig sind, wenn der Server in jeweiligen Bundesland steht. Das öffnet natürlich die Türe für alle Anbieter aus der Karibik, Asien, etc.
Irsigler: Die Landesregierungen sind sich dieser Thematik mittlerweile bewusst, dass die Sportwette heute nicht mehr ausschließlich in der Trafik oder in einem Sportwettenlokal stattfindet. Zwar werden die Regelungen für die lizenzierten Anbieter verschärft, aber für die ganzen anderen vorher erwähnten nicht lizenzierten Unternehmen gilt dies nicht.
Gibt es Schätzungen, wie viel Prozent der Sportwetten, die online aus Österreich heraus getätigt werden, ins Ausland abwandern?
Irsigler: Man kann sich annähern. Wenn man weiß, dass 70 Prozent der Sportwetten in Österreich online abgegeben werden, kann man derzeit davon ausgehen, dass rund 50 Prozent dieser Wetten bei nicht in Österreich lizenzierten Anbietern landen.
Welchen Umsatz erzielen die österreichischen Sportwettenanbieter aktuell?
Irsigler: Wenn man von den Erlösen spricht, dann sind das rund 400 Millionen Euro pro Jahr. Die Höhe der Wetteinsätze liegt bei rund zwei Milliarden Euro.
Wie haben sich diese Kennzahlen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Irsigler: Natürlich hat sich die Pandemie hier dämpfend ausgewirkt, aber insgesamt ist die Branche gewachsen. Aber auch Themen wie Inflation, Krieg, Energiekosten spielen hier natürlich hinein und wirken sich auf das Konsumentenverhalten aus.
Kommen wir zum Thema Sportsponsoring. Wettanbieter sind in Österreich zu einem wohl unverzichtbaren Sponsorpartner geworden. Kann man das in Zahlen gießen, wie viel die österreichischen Sportwettenanbieter mit einer österreichischen Lizenz in den österreichischen Sport über Sponsoring in den Sport zurückführen?
Irsigler: Es ist auf jeden Fall ein zweistelliger Millionenbetrag, der hier jährlich in den Sport fließt. Wichtig ist dabei zu sagen, dass viele Wettunternehmen nicht ausschließlich den reinen Profisport sponsern, sondern auch Randsportarten und vermehrt auch in den Frauensport investieren. Und natürlich ist auch der Breitensport ein wichtiges Thema. Die Wettunternehmen sehen hier schon auch einen gesellschaftlichen Auftrag, den Sport zu unterstützen. Der Sport ist letztendlich die Basis für unser Geschäftsmodell und wir wollen da auch der Gesellschaft bzw. dem Sport etwas zurückgeben. Wir sehen auch, dass der Sport insgesamt in Österreich noch viel zu wenig unterstützt wird. Zu viele Österreicher:innen sind übergewichtig, jeder vierte Bub und jedes fünfte Mädchen ist betroffen. Diese Menschen, diese Jugendlichen und Kinder, sind dann meistens auch im erwachsenen Alter mit diesen Problemen konfrontiert und das führt letztendlich dazu, dass diese Gruppe sehr bald ärztliche Betreuung braucht.
Welche Rolle nehmen Sportwettenanbieter Ihrer Meinung nach im Sponsoring ein?
Shoukry: Wenn man sich die Sponsorenlandschaft ansieht, dann gibt es eigentlich sehr wenige Branchen, die sich wirklich konsequent im Sport engagieren. Das sind im Finanzwesen Versicherungen oder Banken, das ist die Autoindustrie, die Getränkeindustrie, wenn ich jetzt an Brauereien, Red Bull, Coca-Cola, etc. denke. Es gibt dann noch die Telekommunikation und eben die Sportwettenbranche. Natürlich gibt es noch Einzelfirmen, BWT als Beispiel genannt, die sich entsprechend im Sport engagieren und hier unterstützen. Das heißt, insgesamt gesehen gibt es eigentlich sehr wenige Branchen, die den Sport wirklich aktiv unterstützen.
Ist das ein zunehmendes Problem für den Sport?
Irsigler: Klar ist, dass die öffentliche Hand immer weniger Mittel zur Verfügung hat. Darum ist das schon auch eine wichtige Aufgabe. Und wenn wir heute wahrgenommen werden als einer der wichtigsten Unterstützer des Sports, dann macht uns das schon auch stolz.
Trotzdem gibt es aus der Politik auch immer wieder Stimmen, vereinzelt in Österreich aber vor allem in anderen Ländern, wo über eine Werbe- und Sponsoringverbot von Sportwettenunternehmen diskutiert wird. Hier wird dann oft das Thema Sucht genannt. Was sind dann die Argumente des Verbands?
Irsigler: Grundsätzlich wird man durch prohibitive Ansätze diese Probleme nicht lösen. Das klassische Beispiel ist immer die Alkoholprohibition in Amerika im letzten Jahrhundert, die deutliche Fehlentwicklungen mit sich gebracht hat. Denn was würde passieren, wenn wir nicht mehr werben könnten? Illegale Angebote würden davon profitieren. Daher ist es uns auch so wichtig, dass jeder Wettanbieter in Österreich eine Lizenz haben sollte, damit man sich den heimischen Regularien unterwirft.
Shoukry: Wenn man solche Verbote ausruft, führt das auch dazu, dass letztendlich der Konsument gar nicht unterscheiden kann zwischen legalen und illegalen Angeboten.
Wie ist die aktuelle Stimmungslage zu diesem Thema in Österreich?
Shoukry: Ein großes aktuelles politisches Thema ist es nicht. Es gibt gewisse Stimmen, die dieses Thema immer wieder kurz öffentlich diskutieren.
Irsigler: Wir beobachten die Thematik aber auch international ganz genau wie etwa in Deutschland, Italien oder England. Auf EU-Ebene ist es aber derzeit auch nicht besonders präsent, weil man dort bekanntlich die Grundsatzentscheidung getroffen hat, dass die Glücks- und Wettspielbranche eine Spezialmaterie ist und diese die EU-Mitgliedsstaaten in ihrem Sinne regeln können – natürlich unter Berücksichtigung der Grundrechte der EU.
Möglicherweise haben die Giftpfeile, die hier oftmals abgeschossen werden auch damit zu tun, dass die Sportwettenbranche lange Zeit nicht unbedingt das beste Image gehabt hat. Wettmanipulationen, Schmuddel-Image, Abhängigkeit und Suche. Wie hat sich generell diese Stimmung gegenüber der Sportwette in Österreich entwickelt?
Irsigler: Grundsätzlich hat sich die Stimmung positiv entwickelt. Man merkt, dass das Thema Sportwette heute wesentlich präsenter ist in der Gesellschaft als noch vor 20, 30 Jahren. Wettmanipulation ist natürlich ein besonderes Thema, das für uns extrem interessant ist, weil es die Integrität des Sports in Frage stellt. Wenn ein Kunde das Gefühl bekommt, dass der Sport manipulierbar ist, würde er auch das Interesse am Wettprodukt verlieren.
Daher wurde auch der Play Fair Code vor rund zehn Jahren ins Leben gerufen …
Irsigler: Das ist eine Institution, die hervorragende Arbeit leistet. Das ist ein wunderbares, präventives Projekt und der OSWV ist seit vielen Jahren ein aktives Mitglied. Es gibt mit unserer Unterstützung auch einen regelmäßigen Wettanbietergipfel, wo wir alle zusammenkommen. Es ist mittlerweile ein Vorzeigeprojekt in ganz Europa.
Der Play Fair Code kämpft um noch mehr Anerkennung, Stichwort behördenähnliche Funktion. Ist das unterstützenswert?
Shoukry: Ja, auf jeden Fall. Es wäre auf jeden Fall sinnvoll, wenn der Play Fair Code hier gestärkt wird.
Was hat sich durch die Aktivitäten des Play Fair Code verändert? Verhinderte Wettmanipulationen kann man ja schwer in Zahlen gießen, weil diese eben nicht passiert und zählbar sind?
Irsigler: Grundsätzlich muss man eines sagen: Es gibt heute ein sehr enges Netzwerk zwischen den Sportverbänden, den Sportligen, den Ermittlungsbehörden – hier im Speziellen den Bundes- und Landeskriminalämtern -, und den Wettunternehmen. Das ist ein enges Netzwerk geworden, wo man sich permanent austauscht. Der Play Fair Code leistet hier eine unglaublich wichtige Präventionsarbeit in der Schulung, in der Ausbildung von aktiven Sportler:innen, aber auch Funktionär:innen.
Wie wirkt sich das auf die kriminellen Kräfte aus?
Shoukry: Diese merken, dass es nun Strukturen gibt, die diese Entwicklung bekämpfen und es in Österreich dadurch insgesamt schwieriger geworden ist, Wettmanipulation durchzuführen.
Kommen wir auch noch zu diesem von mir vorher angesprochenen Schmudel-Image der Wettanbieter-Branche. Vor 20, 30 Jahren hat man sich eher nicht in ein Wettlokal gesetzt. Das ist jetzt anders. Was hat sich hier getan?
Irsigler: Die Wettunternehmen haben sich deutlich geöffnet und es ist nicht mehr verwerflich, ein Sportereignis in einem Wettlokal anzusehen. Es ist nichts mehr, wofür man sich rechtfertigen muss. Und es ist auch so, dass heute zu gewissen Events die Sportfans ganz bewusst hingehen. Ich denke hier zum Beispiel an die Super Bowl, die vor wenigen Wochen stattgefunden hat.
Shoukry: Man kann das auch sehr schön an zwei verschiedenen Begriffen festmachen: Früher hat man von einem Wettbüro gesprochen. Das waren oft kleine Lokale, wo Fernseher mit Teletext gehangen sind. Jetzt spricht man von Sportbars, von Wettcafés mit Gastronomie.
Wie sieht es mit der Entwicklung des Produkts an sich aus? Die Digitalisierung ist ein zentrales Thema, auch die Verschiebung von stationären zum Online-Handel. Wohin geht die Reise beim Produkt-Sportwettbewerb?
Irsigler: 70 Prozent der Sportwetten sind, wie ich eingangs schon erwähnt habe, digital. In den kommenden fünf Jahren werden wir hier wohl in Richtung 80 Prozent gehen. Das Wettlokal ist heute schon immer mehr auch ein Punkt des Treffens, wo man sich mit Freunden trifft, gemeinsam dann auch ganz spezielle Sportveranstaltungen dort ansieht. Das wird die Zukunft der stationären Wettcafés bzw. Sportsbars sein.
Und was wird sich beim Produkt verändern?
Irsigler: Wie auch schon erwähnt, werden Wettanbieter, die sich behaupten wollen, immer mehr auf Streaming setzen müssen. Das ist allerdings ein sehr kostspieliger Faktor und wird auch wieder zu einer zusätzlichen Konzentration in dieser Branche führen. Und mit Streaming meine ich nicht nur einfach die Live-Übertragung, sondern auch Highlights, etc., die man schon während des Spiels in der Pause konsumieren kann. Das ist aus meiner Sicht die Zukunft der Sportwette. Was die Wettarten betrifft ist das Produkt ausgereizt, hier sehe ich wenig Potenzial. Auch bei den Sportarten, die bewettet werden ist der Zenit erreicht.
Wie wird es mit dem stationären Betrieb weitergehen, wenn die Onlinewetten weiter steigen?
Irsigler: Aktuell haben wir rund 400 stationäre Betriebe mit Wettangebot in Österreich. Wie es genau weitergehen wird, ist schwer einzuschätzen, es würde mich aber nicht überraschen, wenn es in fünf Jahren nur noch 300 sind.
Insofern werden Wettlokale künftig mehr in eine Marketingfunktion reinwachsen?
Irsigler: Ja, und auch letztendlich um eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen, in dem man den Kunden ein entsprechend qualitatives Umfeld dabei anbietet. Also es geht ganz klar in Richtung Qualität, die Quantität wird abnehmen.
Welche Handhabe hat der OSWV, wenn Kund:innen ein Problem mit einem Wettanbieter hat?
Shoukry: Wir bekommen immer wieder Nachrichten von geschädigten Kunden, die sich den Gewinn nicht auszahlen lassen können. Wenn ich dann um den Namen des Wettanbieters bitte, ist es immer einer mit einer Lizenz in der Karibik oder Südostasien. Da können wir natürlich nichts unternehmen.
Sie haben das Wettportfolio der Wettanbieter vorher angesprochen. Fußball dominiert hier klar. Aber gibt es Verschiebungen, die zu beobachten sind?
Irsigler: Nein, wir haben 35 bis 40 Sportarten, auf Fußball entfallen rund 75 Prozent. Das hat sich in den vergangenen Jahren kaum geändert. Die Sportarten in Österreich mit Fußball, Tennis, Eishockey, Handball, Basketball bleiben dominierend.
Wie sieht es auf dem Kundensektor aus? Der Frauensport bekommt langsam aber doch mehr Sichtbarkeit. Gibt es deswegen auch mehr Frauen, die wetten?
Irsigler: 93 Prozent der Kunden sind männlich. Früher waren es vielleicht 95 Prozent. Im Grunde hat es sich kaum verändert. Unser Engagement im Frauensport speziell im Sponsoring bewirkt aber etwas Anderes.
Und zwar?
Irsigler: Letztendlich finden die weiblichen Mitarbeiterinnen das gut, was auch für das Thema Employer Branding wichtig ist. Das wird extrem positiv wahrgenommen. Und natürlich führen die Engagements dazu, dass Frauensport wie Sie schon erwähnt haben, deutlich sichtbarer wird. Aber es ist nicht so, dass wir damit jetzt Frauen als Wettkunden gewinnen. Davon sind wir weit entfernt und das ist aber auch nicht unser Zugang.
Und wie sieht es mit dem Umsatz auf Wetten für Frauensport aus?
Irsigler: Da ist Männersport weiterhin deutlich im Vorteil. Aber warum? Weil Männersport viel mehr im TV übertragen wird. Das hat eine ganz andere Visibilität. Aber man merkt eine positive Tendenz beim Frauensport. Wenn beospielsweise die Frauen Europameisterschaft auf ORF Eins live mit 800.000 TV-Zuschauern übertragen wird und die eigene Mannschaft auch erfolgreich ist. Dann bekommt auch der Frauensport seine verdiente Visibilität.
Wie sieht es mit E-Sport aus?
Shoukry: E-Sport hat grundsätzlich Potenzial, weil es neue Zielgruppen erschließt. Wer ist als Jugendlicher kein Gamer gewesen? Man sieht, wie sich dieser Bereich entwickelt hat. Es wird immer professioneller, es gibt E-Sport-Olympiaden, Sponsoren drängen in den Markt. Auch die olympische Bewegung befasst sich mit diesem Thema.
Blicken wir zum Abschluss in die Zukunft. Wie wird sich das Umsatzvolumen in den nächsten Jahren entwickeln?
Irsigler: Ich persönlich glaube, dass es noch ein Wachstumspotenzial gibt. In Österreich interessieren sich 1,2 bis 1,3 Millionen Menschen wirklich intensiv für Sport. Fünf Millionen sagen, sie haben ein grundsätzliches Interesse. Aktuell haben wir in Österreich rund 150.000 Wettkunden, womit eigentlich schon klar zu sehen ist, dass wir hier noch wachsen können. Fast jeder von uns hat schon mal als Privatperson gewettet, sei es um ein Getränk oder was auch immer. Bei einer Sportwette geht es immer um eine konkrete Meinung und diese unterstütze ich durch eine aktive Wette – das unterscheidet sie deutlich vom Glücksspiel.